Der pauschalierte Zugewinnausgleich bei Tod eines Ehegaten mit Immobilienvermögen in Schweden
Seit dem Jahr 2015 gilt die europäische Erbrechtsverordnung. Danach wurde das Staatsangehörigkeitsprinzip im Erbrecht abgeschafft. Die Rechtsnachfolge von Todes wegen bestimmt sich nicht mehr nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers, sondern vielmehr nach seinem letzten gewöhnlichen Aufenthalt. Der letzte gewöhnliche Aufenthalt muss nicht mit dem gemeldeten Wohnsitz zusammenfallen, sondern ist der tatsächliche Aufenthalt des Erblassers.
Der europäische Gerichtshof hat in einem Urteil vom 1. März 2018 unter dem gerichtlichen Az. C-558/16 darüber zu entscheiden gehabt, ob ein deutscher Ehegatte, welcher auch in Deutschland gelebt hat und mit einer deutschen Ehefrau verheiratet war, insgesamt nach deutschem Recht „beerbt“ wird, auch wenn die Ehegatten Immobilienvermögen in Schweden hatten. Der Ehemann verstarb, ohne ein Testament errichtet zu haben. Zur Umschreibung des sich in Schweden befindlichen Hausgrundstückes beantragte die Witwe ein so genanntes europäisches Nachlasszeugnis. Das europäische Nachlasszeugnis ist dem deutschen Erbschein sehr ähnlich. Im Antrag gibt der Erbe an, wie der Erblasser beerbt worden ist. Nach deutschem Recht gilt im allgemeinen, dass der überlebende Ehegatte zu ein Halb Erbe wird. Diese Hälfte setzt sich zusammen aus einem Viertel echten Erbanteil und einem weiteren Viertel des so genannten pauschalierten Zugewinnausgleichs. Seit Jahren ist streitig, wie der pauschalierten Zugewinnausgleich zu qualifizieren ist. Zwar gilt die Pauschale nur im Fall des Todes. Folglich könnte man grundsätzlich von einer erbrechtlichen Qualifikation ausgehen. Allerdings stellt die Norm gerade einen güterrechtlichen Ausgleich daher, so dass eben auch Güterrecht zur Anwendung kommen könnte. § 1371 Abs. 1 BGB, welcher den pauschalierten Zugewinnausgleich regelt, dürfte dann nicht im europäischen Nachlasszeugnis ausgewiesen werden, wenn er güterrechtlich zu qualifizieren sei.
Der europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil die Auffassung vertreten, dass § 1371 Abs. 1 BGB eine Erbquote darstellt. Es handele sich bei der Vorschrift nicht um eine Aufteilung des Vermögens aufgrund Beendigung des Güterstandes. Damit betreffe diese Vorschrift in erster Linie die Rechtsnachfolge von Todes wegen und nicht das eheliche Güterrecht. Folglich sei die erbrechtlich zu qualifizierende Vorschrift mit ihrer Rechtsfolge der Erhöhung um ein weiteres Viertel im europäischen Nachlasszeugnis auszuweisen.
In seinem Beschluss vom 13. Mai 2015 unter dem gerichtlichen Az. IV ZB 30/14 hatte der BGH noch die Auffassung vertreten, dass der pauschalierten Zugewinnausgleich grundsätzlich güterrechtlich zu qualifizieren ist.
Zweck der Vorschrift sei es, den Güterstand als Sonderordnung des Vermögens der Eheleute während und aufgrund ihrer Ehe abzuwickeln, nicht aber den Längstlebenden kraft seiner nahen Verbundenheit mit dem Verstorbenen an dessen Vermögen zu beteiligen. Der Gesetzgeber hatte bei Einführung des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft erkannt, so der Bundesgerichtshof weiter, dass der Ausgleich des Zugewinns durch Gewährung einer Ausgleichsforderung auf die Schwierigkeit stößt, exakte Feststellungen über Bestand und Wert des Anfangs- sowie des Endvermögens zu treffen, und diese Schwierigkeit besonders groß ist, wenn ein Ehegatte verstorben ist, da die Erben über den Bestand des Anfangs- und Endvermögens des Erblassers gemeinhin nicht Bescheid wissen und der Eintritt des Güterstandes in diesen Fällen nicht selten längere Zeit zurückliegt. Die damit einhergehenden Probleme sollten durch die Pauschalierung des § 1371 Abs. 1 BGB vermieden werden, von welcher der Gesetzgeber annahm, dass sie tendenziell der güterrechtlichen Lage entspricht. (Lediglich) Rechtstechnisch wählte er hierzu den Weg der Erhöhung des gesetzlichen Erbteils, die zu einer Erweiterung der unmittelbaren Beteiligung des Längstlebenden am Vermögen des Erstversterbenden führt, jedoch nichts an ihrer Einordnung als „besondere Art des Zugewinnausgleichs“ ändert, die der Gesetzgeber durch die Wahl des Worts „verwirklicht“ zum Ausdruck gebracht hat.
Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat der europäische Gerichtshof nunmehr gekippt. Ob allerdings diese Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes verallgemeinerungsfähig ist, so dass grundsätzlich von einer erbrechtlichen Qualifikation auszugehen ist, ist zweifelhaft. Man muss bedenken, dass die Erhöhung um ein Viertel gerade nur dann gilt, wenn der überlebende Ehegatte mit dem Verstorbenen im gesetzlichen Güterstand gelebt hat. Damit betrifft die Erhöhung um ein Viertel ausschließlich das Güterrecht, aufschiebend bedingt eben durch den Tod. Die Bedingung (der Tod des Ehegatten) muss eintreten, damit der pauschalierten Zugewinnausgleich vorgenommen wird. Allein aufgrund dieser Bedingung allerdings die Norm erbrechtlich zu qualifizieren, muss nicht der Weisheit letzter Schluss gewesen sein. Gerade deshalb hat der Bundesgerichtshof davon gesprochen, dass der Zugewinnausgleich (= güterrechtliche Aufteilung) lediglich „rechtstechnisch“ über eine Erhöhung des Erbteils erfolgt.
Zum Ehegattenerbrecht im deutsch-spanischen Rechtsverkehr auch: Beier, Die gesetzlichen Rechte des überlebenden Ehegatten nach dem deutschen und spanischen Kollisionsrecht, Studien zum vergleichenden und internationalen Recht, Nr. 157, Peter Lang Verlag.
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